Festlich, schlicht, offen, aber nicht ohne Protest: 500 Jahre Protestantismus

Was tun protestantische Christen, wenn eine ultra-katholische Gruppe Jugendlicher einen festlichen Gottesdienst anlässlich der 500-Jahr-Feier der Reformation stört, indem sie lauthals ein Glaubensbekenntnis und Gebete rezitiert? Dann singen sie fröhliche Lieder, bis die Polizei kommt und die Demonstranten freundlich, aber bestimmt an die frische Luft befördert. So erging es uns am 28. Oktober 2017 in der Brüsseler St.-Gudula-und-St. Michaelskathedrale.

Nach dem Zwischenfall, der glücklicherweise ohne Handgreiflichkeiten verlief, ging der Gottesdienst ungestört weiter. Ein Schwerpunkt lag – ja! – auf der ökumenischen Zusammenarbeit der christlichen Konfessionen.

Höhepunkt der Feier war die Überreichung von Büchern, die Kardinal Jozef De Kesel, Primas von Belgien, und Pfarrer Steven Fuite, Synodepräsident der VPKB, füreinander ausgesucht hatten. „Einst haben wir die Bücher der Anderen verbrannt. Heute schenken wir einander Bücher, als Symbol dessen, was uns beseelt.“ Die katholische Kirche in Belgien profiliert sich nachdrücklich als eine Kirche, die den evangelischen Christen nicht nur die Kathedrale zur Verfügung stellt, sondern auch eine warme Freundschaft mit ihnen unterhält.

Ebenfalls anwesend war Koen Geens, föderaler Justizminister. In einer Rede vor dem belgischen Senat anlässlich eines Religionssyposiums am 4. Oktober hatte er seine Genugtuung darüber unterstrichen, dass katholische Kirche die evangelischen Christen anlässlich ihrer Jubiläumsfeier in die Kathedrale eingeladen hatte.

Pfarrer Fuite betonte in seiner Predigt, dass die Protestanten in Belgien immer eine kleine Minderheit waren, die auch noch interne Unterschiede aufweist. Aber die Gemeindeglieder würden sich enorm für ihre Kirche engagieren. Sie seien der eher „rationale“ Flügel der kirchlichen Landschaft; im Vordergrund stünden für sie die Kenntnis der Bibel und das Durchdringen von Glaubensfragen. Das bedeute jedoch nicht, dass sie übertrieben „nüchtern“ seien. Evangelische Christen setzten sich engagiert für die Gesellschaft und vor allem für Arme und Entrechtete ein, aus der Erkenntnis heraus, dass die Kirche in der Nachfolge Jesu Dienerin der Menschen ist.

Hier können Sie die Predigt in drei Sprachen nachlesen: Dankdienst28102017

Die musikalische Umrahmung reichte von Pachelbel bis zu modernen Gospelsongs. Und natürlich erklang zum Abschluss des Gottesdienstes das „Ein feste Burg ist unser Gott“, das bekannteste aller Lutherlieder.

  

Leen Bosgra

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